Ablegen bei ablandigem Wind
Die erste Frage zum Ablegen
- Weht der Wind ab- oder auflandig?
- Wind vom Land, der hinaus auf das Wasser weht, ist zum Ablegen ablandig.
- Dies bedeutet, dass wir die Segel nur vor dem Hafen setzen können.
- Das Manöver lautet deshalb
Ablegen vor Top und Takel
- ggf. mit der Fock, damit es etwas schneller geht.
Ablandige Winde. Hier das große Bild.
Das Ablegemanöver ist in allen unseren Hafeneinfahrten (A, B, C) identisch.
Hafen bei ablandigem Wind. Hier das große Bild.
In der Anfangsphase unterscheiden sich die Ablegemanöver nur darin, ob man mit dem Bug oder dem Heck zum Steg liegt:
- Wenn unser Schiff mit dem Bug zum Steg befestigt ist (C), müssen wir die Leinen klarmachen. Auf das Kommando:
Bugleinen los
werden diese losgeworfen und man verholt das Schiff mit den Dalbenleinen am Heck langsam aus der Box heraus. Dann muss man es so umdrehen, dass der Bug aus dem Hafen hinaus zeigt. - Siehe Boot in die richtige / gewünschte Richtung drehen.
- Wenn unser Schiff mit dem Heck zum Steg befestigt ist (B), müssen wir die Leinen klarmachen. Auf das Kommando:
Heckleinen los
werden diese losgeworfen, und man verholt das Schiff mit den Dalbenleinen den Bug mit Schwung aus der Box heraus. Je mehr Fahrt man beim Rausziehen aus der Box mit den Festmacherleinen an den beiden Boxen-Dalben erzielen kann, umso besser. Sobald das Schiff komplett aus der Box ist, kann der Steuermann das Ruder hart legen und Richtung Hafenausfahrt fahren.
Auslaufen aus dem Hafen bei ablandigen Winden. Hier das große Bild.
Vorsegel ausrollen / setzen
- Durch den ablandigen Rückenwind werden wir mit dem Segelboot auf jeden Fall bereits aufgrund der über dem Wasser dem Wind ausgesetzten Fläche aus dem Hafen und auf den See hinaus getrieben.
- Dies nennt man
Ablegen vor Top und Takel
, weil der Rückenwind vor allem an der Takelage (Drähte) und dem Mast angreift.
- Es ist jedoch immer sinnvoll, möglichst genug Fahrt im Schiff zu haben. Vor allem am Anfang beim Ablegen sollte man möglichst schnell beschleunigen, damit man mit dem Ruder auch gut steuern kann.
- Deshalb kann / darf man bereits im Hafen das Vorsegel setzen, respektive die Rollfock ausrollen.
- Bei einer Rollfock muss dazu nochmals der Rollfockbändsel auf freien Lauf kontrolliert werden. Das ist die lange dünne Leine, mit der man das Vorsegel wieder aufrollt. Ein Knoten oder Wuhling darin würde das Ausrollen der Fock ruckartig unterbrechen oder komplett beenden.
- Sicherheitshalber sollte man jedoch damit warten, bis die Personen, welche die Dalben-Leinen bedient haben, wieder im Schiff sind - und natürlich das Segelboot sich klar außerhalb der eigenen Box / des eigenen Liegeplatzes befindet.
Auf welcher Seite soll man die Fock setzen respektive ausrollen?
Das hängt von der genauen Windrichtung des ablandigen Windest ab. Siehe Windkarte oben.
- Kommt der Wind aus 1. - also mehr von links hinten -, dann setzt man das Vorsegel auf der gleich auf der richtigen - also der Steuerbordseite.
- Kommt der Wind aus 3. - also mehr von rechts hinten -, dann setzt man das Vorsegel auf der dafür korrekten Seite - also der Backbordseite.
- Kommt der Wind genau von hinten / achtern, dann wird die Fock mehrfach die Seite wechseln.
- Es spielt somit keine Rolle, auf welcher Seite Sie das Vorsegel herausziehen, da der Wind genau von Achtem kommt.
- Leider ist der Wind direkt vom Land - vor allem über eine dortige Anhöhe - immer böig und ändert deshalb eventuell schnell und stark seine Richtung.
- Der Vorschoter muss aus diesem Grund sein Segel mit äußerster Aufmerksamkeit führen.
- Das funktioniert zwar, ist aber auf die Dauer etwas mühsam.
- Deshalb empfiehlt es sich für den Steuermann, sobald er den Hafen verlassen hat, einen raumen Kurs zu fahren. Auf raumem Kurs lässt sich die Fock ruhiger (auf einer Seite) führen und es kommt insgesamt auch mehr Ruhe in das Schiff. Ferner ist das Schiff auf einem raumen Kurs auch schneller als bei achterlichem Wind.
- Nochmals: Wir benötigen möglichst viel Geschwindigkeit (Fahrt im Schiff) für das anschließende Setzen des Großsegels. - Je höher unsere Schiffsgeschwindigkeit ist, desto länger können wir damit gegen den Wind in den Aufschießer fahren. Desto länger haben wir Zeit, das Segel hochzuziehen.
Abstand vom Hafen
Zuerst muss man jedoch aus vielen Gründen Abstand zum Hafen gewinnen.
- Bei ablandigen Winden drehen die Windrichtungen in Landnähe oft stark. Da kann jeder Baum oder jedes Haus die Windrichtung beeinflussen. So etwas behindert das Segelsetzen.
- Ferner sind die ablandigen Winde aufgrund jener Hindernisse im Zweifel ziemlich böig. D.h. die Stärke kann durchaus schnell schwanken. Auch dies ist für das Segelsetzen nachteilig.
- Überdies dürfen wir nicht direkt vor der Hafeneinfahrt den Aufschießer fahren und dort dann andere Auslaufende Schiffe behindern.
- Letztendlich benötigen wir auch ausreichen Raum, um ggf. das Segelsetzen zu unterbrechen oder gar abzubrechen, weil dabei etwas falsch lief. - Z.B. kann eine Segellatte aus ihrer (nicht gut gesicherten) Lattentasche herausfallen. Oder man erkennt beim Hochziehen, dass man nicht alle Segellatten eingesteckt hat. Oder das Großsegel klemmt mit dem Vorliek in der Mastkeep. Oder, oder, oder...
Deshalb sollte man zuerst einmal 100-150 Meter weg vom Hafen nach Lee fahren.
- Diese Zahl ist ein Erfahrungswert, den wir in der Praxis erfolgreich für Schüler anwandten.
- Das Schätzen von Entfernungen auf dem Wasser fällt den meisten Menschen schwer bis sehr schwer. Die Zahl 100-150 klingt jedoch bereits so groß, dass die meisten Schüler daraufhin auch einen größeren Abstand als 25 Meter halten.
- Es darf auch viel weiter draußen sein. Je weiter man sich von den Hindernissen am Ufer entfernt, umso konstanter in Richtung und Geschwindigkeit wird der Wind. Das erleichtert den Aufschießer und das Segelsetzen sehr.
- Ferner kommt so mehr Ruhe in die Mannschaft, und man hat auch mehr Zeit, das folgende Segelsetzen zu besprechen und alle Personen dafür einzuteilen.
- Der Steuermann teilt eine Person zum Heißen des Großsegels an das Fall ein und eine weitere zum Einführen des Vorlieks in die Mastkeep.
- Die dritte Person bedient weiterhin das Vorsegel.
- Falls keine drei Personen vorhanden sind, kann der Vorschoter nachher die Aufgabe des Einführens des Vorlieks in die Mastkeep übernehmen.
- Auf sportlichen Booten benötigt man noch eine Person für das Lösen des Backstages. Dies kann ggf. auch die Person übernehmen, welche nachher das Großfall hochzieht. Die oft zu findende Übernahme der Bedienung der Backstagen durch den Skipper ist nicht so ideal, da er eher die Übersicht bewahren sollte.
- Selbstredend dürfen Sie als erfahrener Segler den Abstand zum Hafen (je nach Wind und Verkehrsverhältnisse) frei wählen.
Ort des Aufschießers
- In einem Abstand von ca. 100-150 m vor dem Hafen fährt man dann einen
Aufschießer
/ das Manöver Aufschießen
oder auch in den Wind schießen
genannt.
- Eingeleitet wird er mit der Frage des Steuermanns:
Klar zum Aufschießer?
Oder auch: Klar zum Aufschießen?
.
- Sobald alle Beteiligten bereit sind, quittieren dies alle mit
Ist klar
, also auch der Vorschoter und bei der sportlichen Booten auch die Person an den Backstagen. Die Mannschaft sagt dies jedoch nur, wenn auch ausreichend Raum auf dem See für das Manöver vorhanden ist. Manche Segler mögen zwar Surfer, Kanuten, Ruderbootfahrer und andere Wassersportler gering schätzen. Deshalb darf man sie dennoch bei einem solchen Manöver nicht einfach über den Haufen fahren. Denn es gilt auch hier: Manövrierende Segelboote haben einem Kurshaltenden Wegerecht zu gewähren.
- Je nach gefahrenem Kurs (meist raumer Wind) sollte man zuerst langsam anluven und dabei das Vorsegel dichter nehmen lassen. So nimmt man weiter Fahrt auf, oder behält diese zumindest im Schiff.
- Der Steuermann gibt dann das Kommando:
Schoten los
.
- Daraufhin gibt der Vorschoter die Schoten frei (auch von der Winsch) und lässt das Vorsegel schlagen.
- Der Steuermann dreht dann das Boot komplett in den Wind. D.h. der Bug des Segelbootes zeigt genau in den Wind.
Aber wo steht man dann gewöhnlich? Das zeigt die folgende Hafenkarte:
Aufschießer bei ablandigen Winden, um das Großsegel genau im Wind zu setzen. Hier das große Bild.
Das hängt von der Windrichtung des ablandigen Windes ab.
- Da man gemütlich und sicher auf einem raumen Kurs weg vom Hafen segeln kann, ergeben sich in der Regel die drei obigen Positionen.
- Im Prinzip ist die genaue Position für das Setzen des Großsegels nicht so wichtig. Nur bei derartigen Hindernissen wie der Flachwasserzone, die auch noch mit rot-weiß-roten Tonnen gesperrt ist, muss man einen Sicherheitsabstand halten.
- Wichtig bleibt nur, dass man genau im Wind steht, weil dort das Segelsetzen am leichtesten geschieht.
- Die Person an den Backstagen wirft beim Aufschießer die (beiden) festen Backstage los und zieht beide Backstage noch etwas nach oben heraus, damit das Großsegel notfalls nach beiden Seiten auswehen kann.
- Sobald das Boot im Wind ist, wird das Großsegel gesetzt. Der Steuermann gibt hierzu das Kommando:
Heißt Großsegel
oder: Setzt das Großsegel
- Oder wie manche ketzerisch am Bodensee auch sagen: Hoch den Fetzen
. Letztere Kommando-Variante eignet sich jedoch nicht für Prüfungen.
- Ist das Großsegel ganz oben, wird das Fall mit einem Kopfschlag belegt bzw. die Stahlschlaufe in einen Haken am Mastfuß eingehängt.
- Hat man noch genügend Fahrt im Schiff, so sollte man gleich das Vorliek durch Tiefersetzen des Baumes trimmen. Wird man jedoch bereits abgetrieben, so kann man dies auch noch nachträglich auf einem Kurs am Wind durchführen.
- Letzteres hat jedoch den Nachteil, dass durch die dann dichtgeholte Großschot ein enormer Zug nach unten auf dem Baum liegt. Zum Lösen des Bolzens aus der Mastschiene muss man dann paradoxerweise den Lümmelbeschlag erst etwas anheben. Nur so bekommt man den Rutscher frei und kann ihn tiefer setzen.
- Der Steuermann fällt stark ab und nimmt Fahrt auf. - Nach welcher Seite er abfällt, ist ihm überlassen. Das sollte er sich deshalb vorher bereits überlegen. Man wählt sich schlauer Weise die Seite aus, nach der man sowieso langfristig segeln will, aber die auch frei ist respektive in die das Schiff noch will. Es hat keinen Sinn, gegen den Wind nochmals durchzudrehen. Oft fehlt dazu die Fahrt im Schiff und man treibt dann nur unkontrolliert nach meist der
falschen
Seite weg.
- Gleichzeitig werden die Schoten für alle Segel sauber geführt. Ab jetzt sollte kein Segel mehr killen (schlagen).
- Dann wird eine Person die evtl. vorhandene luvseitige Backstag wieder fest durchsetzen. Die leeseitige bleibt offen, da dort ja der Baum und das Großsegel stehen.
- Die Person am Großfall schießt unterdessen das Fall sauber von der festen Part her in Buchten auf und legt es - ohne Knoten darum - unter das Deck auf den Cockpit-Boden oder hängt es, soweit möglich, lose an einen Haken unter Deck. Ein außenlaufendes Fall darf auch - von Achtem - durch die vertikal, parallel zum Mast verlaufende und unter enormem Zug stehende Part des Großfalles selbst gesteckt werden. Siehe Abbildung.
Sonderform des Segelsetzens
Manchmal sieht man jedoch ein etwas anderes Segelsetzen während der Fahrt extrem hoch am Wind, auf das manche Regattasegler schwören. Jedoch unterliegt dies Einschränkungen:
- Das Segelboot muss ein hochmodernes Regattaboot sein, das auch wirklich extrem hoch am Wind segeln kann. 30 Grad zum Wind sollten es mindestens sein.
- Das Boot benötigt eine große und modern geschnittene Genua.
- Der Steuermann muss wirklich bei jedem Wind und vor allem bei jeder Winddrehung diesen Kurs halten können. Insbesondere bei Böen oder stärkerem Wind ist das keine leichte Aufgabe.
- Die Mannschaft muss so erfahren sein, dass sie auch bei ggf. deutlicher Krängung (Schräglage) auf einem ggf. nassen Deck das Großsegel so setzen kann.
- Das Großsegel sollte über Mastrutscher verfügen, da sich ein Vorliek auch bei nur 30 Grad zum Wind definitiv schwer in die Mastkeep einführen lässt respektive oft klemmen wird.
- Dennoch muss man das Großsegel deutlich auffieren, da selbst aufgefiert der Winddruck darin und somit die seitlich ziehende Kraft erheblich sind. Ferner killt das Großsegel dadurch ebenfalls - und zwar lange.
- Bei dieser Art es Segelsetzen muss aber die bei solchen Yachten fast immer vorhandene luvseitige Backstag straff durchgesetzt bleiben, da ein enormer Zug auf dem Vorstag liegt, weil das Vorsegel derzeit die maximale Kraft auf den Mast ausübt.
- Kurzum: Das gelingt selbst bei erfahrenen Seglern oft nicht. Und es kostet sogar mehr Zeit, als das oben beschriebene Aufschießen. - Dass jene Segler diese unbestreitbare Tatsache dann ummünzen und behaupten, so hätte man mehr Zeit zum Segelsetzen, ist eine Verkehrung der Realität. Das sind eher Regattatricks, um doch noch zu gewinnen, wenn man z.B. ein Reff ausbinden will: also die sowieso bereits 70% gesetzte Segelfläche auf die normalen 100% erweitern und so das Großsegel nur die letzten 1-2 Meter am Mast hochziehen will.
Das war das Ablegen bei ablandigen Winden. Frohe Fahrt.
Weiter geht es mit: Ablegen bei auflandigem Wind.
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