Weht der Wind ab- oder auflandig?
Wind vom Wasser / See / Meer, der auf das Land weht, ist zum Anlegen auflandig.
Dies bedeutet, dass wir die Segel nur vor dem Hafen bergen können. Nur dort stehen wir zum Segelbergen exakt im Wind.
Deshalb fahren wir vor dem Hafen einen Aufschießer und dann mit der Fock Richtung Hafen.
Das Manöver lautet: Anlegen vor Top und Takel.
Auflandige Winde. Hier das große Bild.
Die Windrichtungen 1., 2. und 3. sind eindeutig auflandig. Die Sonderform 1a definieren wir für ganz enge Hafeneinfahrten als auflandig und besprechen sie weiter unten.
Das Anlegemanöver ist in fast allen unseren Hafeneinfahrten (A, B, C) jeweils sehr ähnlich.
Das obige Bild zeigt alle auflandigen Winde mit Aufschießer-Positionen im Bezug zum Hafen. Hier das große Bild.
Lassen Sie uns die Details vorab genau besprechen. Nur dann funktioniert alles reibungslos, ruhig und vor allem sicher.
Die genaue Bezeichnung für das Anlegen bei auflandigem Wind lautet vor Top und Takel
.
Das Top
oder Topp
ist die Spitze des Mastes und unter Takel
versteht man die Takelage, also das gesamte stehende und laufende Gut auf dem Segelboot (u.a. Mast, Baum, Wanten, Schoten). Da wir beim Anlegen Rückenwind haben, reicht der Luftwiderstand der Fläche unseres Segelbootes oberhalb der Wasserlinie aus, um uns voranzutreiben. Bereits die Personen auf dem Schiff bilden einen erheblichen Luftwiderstand.
Da das Anlegen vor Top und Takel
besonders bei leichten Winden langsam vor sich geht, nehmen wir häufig ein Vorsegel (die Fock oder Genua) zum Segeln Richtung Hafen zur Hilfe.
Ein erfahrener Meersegler sandte mir folgende wertvollen Ergänzungen, welche ich gerne publiziere.
Vor allem auf dem Meer und auf großen Seen sollte man folgende Details zumindest bedenken:
Sofern der anzulaufende Hafen nicht per se festgelegt ist - z.B. der Heimathafen oder das zwingend erforderliche Zielhafen -, dann sollte man bei hohen Wellen und / oder starkem auflandigem Wind überlegen, ob der anvisierte Hafen (momentan) der ideale Anlegeplatz für das eigene Schiff und vor allem das eigene Können (auch der Mannschaft) ist.
Der Hafen sollte idealerweise so gelegen sein, dass keine hohen Wellen in Richtung Hafeneinfahrt laufen. Die Höhe der Wellen ist u.a. von folgenden Faktoren abhängig:
Die Länge der Windwirkstrecke hat einen Einfluss auf die Wellenhöhe. Die Windwirkstrecke ist die Strecke vom Hafen nach Luv, aus welcher der Wind Wellen aufbauen kann.
Der Stärke des Windes ist wichtig. Eine höhere Windstärke kann auch bei kleinerer Windwirkstrecke zu höherem Wellengang führen.
Wellen steilen sich zudem vor Häfen gerne auf, weil sie durch den ansteigenden Meeresgrund 'angehoben' werden und darum höher werden (z.B. Häfen an der Atlantikküste von Portugal).
Höhere Wellen vor Häfen können bis zur Hafeneinfahrt brechen und lassen das Schiff evtl. sogar querschlagen sowie schlimmstensfalls aus dem Ruder laufen. Hinzu kommt, dass dieses Querschlagen durch die geringere Ruderwirkung der von achtern anlaufenden Wellen begünstigt wird (das Ruderblatt wird in dem Moment ggf. von hinten angeströmt!)
Tipp: Über Kanal 16 die Hafenmeisterei anfragen, ob das Anlaufen des Hafens möglich ist, oder Crews der im Hafen liegenden Yachten anfragen, ob die Wellen sich brechen. Letzteres kann man von See aus oft nicht sehen.
Der anvisierte Hafen sollte im Idealfall etwas windgeschützt liegen, z.B. in einer Bucht oder hinter einer Insel, welche die freie Windwirkstrecke verringert, die Windstärke abmildert oder die Wellenhöhe reduziert.
In abgeschwächter Form gilt dies auch für Binnenseen: Hier sollte jeder die Windstärke und Wellenhöhe - aber vor allem die (oft geringere und damit einflussreicherer) Wellenlänge in Abhängigkeit zu seinem eigenen Schiff selbst bewerten.
Aber das Manöver muss auch ohne Vorsegel funktionieren. Es könnte im schlimmsten Fall zerrissen sein. Deshalb muss man auch quer treibend - wie ein Stück Holz - genau in seine Einfahrt gelangen.
Deshalb muss man sich eine Stelle vor dem Hafen suchen, von der man aus gesehen anschließend genau auf einer Linie Windrichtung Hafeneinfahrt treiben kann.
Daraus folgt, dass man den Aufschießer zum Segel-Bergen an einer Stelle vor dem Hafen durchführt, die exakt auf dieser Linie Windrichtung zur eigenen Hafeneinfahrt liegt.
Wie beim Segel-Setzen gilt auch beim Segel-Bergen: Man kann das Großsegel nur exakt im Wind problemlos und schnell herunternehmen.
Mathematisch / geometrisch genau liegt der Ort des Aufschießers an der Schnittstelle unseres Kurses mit der Windrichtung zur Hafeneinfahrt. Siehe Schaubild unten.
Wir fahren den Aufschießer zum Segelbergen idealer Weise an der Schnittstelle unserer Kurslinie mit der Windrichtungs-Linie zur Hafeneinfahrt. Hier das große Bild.
Den exakten Ort während des Segelns auf dem Wasser zu erkennen und vor allem die Linie Windrichtung zur Hafeneinfahrt, ist Übungssache. Klarheit hat man im Zweifel darüber erst im Anschluss, wenn man (nach dem Aufschießer) exakt vor dem Wind - also mit Rückenwind = Achterlichem Wind auf seine Einfahrt zufährt. Dann wird ggf. die Fock mehrfach die Seite wechseln. Das ist in diesem Fall zum Anlegen ideal.
Der angebliche Trick, dass die Wellenrichtung die Windrichtung anzeigt, gilt auf Binnenseen nicht immer, da hier die Windrichtungen sich oft schnell ändern können, während Wellen träger sind und vor allem bei vorher starkem Wind und somit hohem Wellengang noch längere Zeit die alte Richtung beibehalten können.
Als Praxis-Tipp empfiehlt es sich, im entsprechenden Abstand (100-200 Meter) vor dem Hafen vorbeizufahren und eine langsame Wende zu fahren. Sobald der Baum des Großsegels dabei genau über der Mittschiffslinie steht, zeigt er den wahren Wind an. Wenn man dann über das Achterdeck / Achterstag schaut, erkennt man ziemlich genau die Linie der Windrichtung zum Hafen. - Entsprechend kann man bei der nächsten Anfahrt zum Anlegen die Windrichtung = den Winkel zum Hafen genau bestimmen.
In manchen Situationen kann man den Aufschießer nicht an der idealen Stelle - genau auf der Linie der Windrichtung zur Hafeneinfahrt - durchführen, wie z.B. in Fall 3., wo schlichtweg ein Hindernis (gesperrte Flachwasserzone) dies verbietet. Aber dann muss man dem Ideal möglichst nahe kommen.
Je weiter man von der Ideallinie (achterlicher Wind) abweicht, desto schwieriger wird der Schlussteil, weil man diesen ohne Fock fahren muss. D.h. man treibt dann oft nur noch, wobei der Wind die Richtung bestimmt. Falls dann noch irgendwelche (rund um Häfen nicht so seltene) Strömungen hinzukommen, kann es einen noch direkt an der Hafeneinfahrt in Schwierigkeiten bringen.
Wieder haben sich in unseren langjährigen Schulversuchen die 100-150 Meter Abstand als hilfreich erwiesen. So behindert man erstens beim Aufschießer und Segelbergen keine auslaufenden Schiffe. Zweitens hat man danach auf dem Rückweg zum Hafen ausreichend Zeit, alle Personen einzuteilen und das eigentliche Anlegen vorzubereiten.
Selbstredend darf man bei starkem Wind und Wellengang etwas weiter entfernt seinen Aufschießer durchführen. Aber es muss noch immer auf dieser Linie Windrichtung zur Hafeneinfahrt sein.
Erfahrene und eingespielte Crews dürfen bei wenig Wind den Aufschießer auch näher an der Hafeneinfahrt durchführen. Aber man darf dennoch niemanden behindern. Denn aus dem Hafen auslaufende Schiffe haben Wegerecht.
Nachdem man am besten durch eine erste Vorbeifahrt vor dem Hafen die exakten Windverhältnisse, die Windrichtung (Winkel) zur Hafeneinfahrt und den Abstand festgelegt hat, fährt man nochmals ein Stück weg vom Hafen und kommt dann mit Kurs Halber-Wind zurück zur geplanten Stelle des Aufschießers.
Idealer Weise fährt man den Aufschießer aus dem Kurs Halben Wind.
Das hat den Vorteil, dass plötzliche Winddrehungen kurz vor den Aufschießer noch korrigiert werden können.
Fährt man hingegen bereits mit einem Kurs Hoch-am-Wind, oder stark Raumen-Wind zum Zielort, so kann eine stärkere Windrichtungsänderung das Manöver extrem behindern oder sogar zum Abbruch führen.
Vor allem ist man auf dem Kurs Halben Wind auch am schnellsten. Dies ist wichtig, um möglichst viel Fahrt im Schiff zu haben, wenn man den Aufschießer gegen den Wind fährt. Dadurch hat die Mannschaft länger Zeit, das Großsegel zu bergen. Ferner ist dann noch so viel Rest-Fahrt im Segelboot, dass der Steuermann mit dem Ruder bestimmen kann, in welche Richtung (nach rechts oder links / nach Steuerbord oder Backbord) er drehen will.
Dieses gezielte Abfallen / Umdrehen in eine bestimmte Richtung kann bei Hindernissen wie z.B. der gesperrten Flachwasser-/Badezone extrem wichtig sein. Aber auch sonst ist es immer hilfreich, wenn man als Steuermann ggf. den weiteren Kurs zur Hafeneinfahrt durch ein Abfallen in die optimale Richtung noch perfektionieren kann.
Diese Anfahrt auf halbem Wind nutzt der Kapitän dazu, alles zum Anlegemanöver zu besprechen, evtl. Fragen der Mannschaft dazu zu beantworten und alle Aufgaben klar einzuteilen.
Bereits auf Kurs Halbem Wind wird der Baum am ggf. vorhandenen Lümmelbeschlag höher gesetzt. Das erleichtert das Lösen des Großfalles und das Bergen des Segels.
Eine Person wird zum Großfall eingeteilt.
Diese Person klariert das Fall, indem sie es von der festen Part aus durch die Hand laufen lässt. Wuhlings oder Knoten würden das Bergen des Segels extrem verzögern und dadurch eventuell das Schiff sogar in eine gefährliche Lage bringen.
Ferner sollte jene Person von nun an bereits eine Hand am Fall haben, um dort ggf. den Kopfschlag schnell lösen zu können.
Sofern keine Dirk (Leine vom Masttopp zur Baumnock) vorhanden ist, welche den herunterfallenden Baum auffängt, muss man eine Person bestimmen, welche beim Aufschießer den Baum respektive die Baumnock (hinteres Ende) hält. Besitzt man allerdings eine Dirk, dann sollte man deren Länge - nun auf Halbem Wind bereits - exakt einstellen.
Der Person am Vorsegel muss man klar mitteilen, wie man das Manöver Aufschießer fährt: Manche Skipper wollen, dass man die Segel zuerst langsam weiter dicht nimmt, bis sie hoch am Wind zu killen beginnen. Andere wünschen hingegen eher, dass man beide Schoten beim Eindrehen sofort frei gibt.
Generell müssen beide Vorsegel-Schoten vorab klariert werden, sodass sie auch frei laufen können - und z.B. niemand darauf steht, oder sie sich um die Winschen liegend beklemmen. Dann würde sofort Zug auf das Vorsegel kommen, die Fock back stehen (einen Gegenbauch bilden), die Fahrt abgebremst und das Segelboot evtl. aus dem Wind getrieben werden, bevor man das Großsegel geborgen hätte.
Ferner müssen auf sportlichen Yachten auch zum Segelbergen beide Backstagen losgeworfen und weit herausgezogen werden, ansonsten kann man sich das Großsegel daran nicht nur beschädigen. Im schlimmsten Fall kommt bei einer starken Winddrehung in einer unerwarteten Böe plötzlich Fahrt in eine ungewünschte Richtung in das Boot, oder das Segel klemmt sofort in der Mastkeep.
Erfahrungsgemäß hat man zum Segelbergen vor dem Hafen im Aufschießer meist zu wenig Personal, sodass mehrere Personen - nacheinander - mehrere Aufgaben übernehmen müssen:
So ist es auf kleineren Yachten durchaus üblich, dass der Vorschoter, nachdem er die Schoten losgeworfen hat, das Großsegel am Vorliek mit beiden Händen herunterzieht.
Ferner kann die Person, welche beide Backstagen loswirft, anschließend auch den Baum beim Segelbergen kurz halten und sorgfältig sowie langsam absenken.
Die Person an der Pinne sollte jedoch möglichst keine weiteren Aufgaben neben dem Steuern übernehmen, da sie sich bereits um das gesamte Vorgehen auf dem Wasser und den Wind kümmern muss. Sie muss den Überblick bewahren. Sie muss zudem erkennen, wenn irgendetwas beim Segelbergen klemmt
. Das erkennt man hinten an der Pinne oder dem Steuerrad viel leichter als die anderen Personen, welche vorne im Cockpit oder rund um den Mast herum evtl. vom herunterfallenden Großsegel begraben
werden.
Das Großsegel kann nur im Wind sauber geborgen werden.
Dazu muss das Segelboot mit dem Bug genau in die Windrichtung zeigen.
Nur dann lässt sich das Vorliek in der Mastkeep locker herunterziehen, respektive die Mastrutscher gleiten in / an der Schiene von selbst nach unten.
Sofern das Vorliek in einer Mastkeep läuft, muss die dafür eingeteilte Person beim Bergen des Großsegels das Vorliek aus dem Mast grundsätzlich schräg nach hinten unten ziehen. Beim senkrechten Herunterziehen kommt es bei zahlreichen Schiffen vor, dass es sich sonst leicht in der sich nach unten zu wieder verengenden Mastkeep verklemmt und dann das weitere Bergen des Segels verhindert.
Überdies gelangt nur exakt im Wind das Segel beim Herunterlassen genau mittig in das Schiff (und bleibt so trocken).
Dazu muss man einen Aufschießer fahren.
Auf dem Weg zum Idealort des Aufschießers fragt der Steuermann: Klar zum Aufschießer?
oder Klar zum Aufschießen?
Danach bestätigen alle dies mit einem Ist klar
, sofern es zutrifft. - Es gilt aber immer: Selbst denken und die Augen aufmachen. Eventuell erkennt der Steuermann ein Vorrangschiff oder anderes Hindernis nicht, weil es hinter der Genua verdeckt liegt.
Beim Eindrehen in den Wind sagt der Steuermann dann irgendwann noch: Schoten los
. Das ist das Zeichen für alle zum Arbeitsbeginn.
Der Vorschoter wirft beide Schoten los und sorgt dafür, dass sie nicht an den Winschen oder Umlenkrollen hängen bleiben.
Die bis dahin evtl. noch feste Luv-Backstag wird freigeworfen und deutlich herausgezogen, damit das Großsegel frei nach jeder Seite schlagen kann.
Die Person am Fall löst jetzt den Kopfschlag oder nimmt eventuell die Schlaufe eines Stahlfalles aus dem Haken und hält sich bereit.
Sobald sich der Baum über der Mittschiffslinie befindet, gibt der Steuermann das Kommando: Segel bergen
, oder wie man am Bodensee auch sagt runter mit dem Groß
.
Aus Sicherheitsgründen sollte das Großsegel jedoch mit dem Kopfbrett noch ca. 20 Zentimeter in der Mastkeep verbleiben. Wie heißt es doch treffend: Man hat schon Pferde vor der Apotheke kotzen sehen.
Es kann im schlimmsten Fall (z.B. bei um 180 Grad drehenden Winden) erforderlich sein, das Großsegel wieder zu setzen. Dann sollte es auch dazu bereit sein.
Während die anderen Crewmitglieder das Segel bergen, überlegt der Skipper sich anhand des Windes und evtl. Winddrehungen die Seite zum Abfallen - d.h. nach welcher Seite er das Segelboot umdrehen will. So lassen sich noch Feinkorrekturen durchführen, um auf Achterlichen Wind zu kommen.
Sobald das Segel unten ist, legt der Steuermann das Ruder und gibt das Kommando: neuer Bug ...
(z.B. Backbordbug). So weiß der Vorschoter, welche Schot er auf welcher Seite greifen und etwas dichtholen muss.
Dann fährt der Steuermann genau auf seine Hafeneinfahrt zu.
Die ggf. vorhandenen Backstagen werden nun beide dichtgenommen.
Eine Person sichert das Großsegel: Bei offenen Booten wird der Kopf noch 20 Zentimeter in der Mastkeep angeschlagen gelassen (für Notfälle). Aber das Segeltuch muss tief im Cockpit gehalten werden. Eine unerwartete Böe von Achtern darf es weder steigen lassen, noch zu einer Seite ins Wasser drücken. Bei großen Booten wird es mit Bändseln zumindest provisorisch am Baum gesichert.
In dieser heißen
Phase des Anlegemanövers ist nun keine Zeit, um das Großsegel abzuschlagen (vom Mast und Baum zu entfernen). Das machen wir später in aller Ruhe im Hafen.
Ist das Großsegel geborgen, dreht der Skipper sofort sein Segelboot aus dem Wind und bringt es auf Achterlichen Wind mit Kurs zur Hafeneinfahrt. Es geht hier wirklich um Geschwindigkeit. Je schneller das geschieht, desto mehr Fahr hat man noch im Schiff und desto effizienter wirkt das Ruder.
Sobald man den Bug aus dem Wind gedreht hat, soll der Vorschoter auch seine Fock wieder führen. Aber der Windrichtung entsprechend wird weit aufgefiert. Jedoch soll das Vorsegel auch keinen Bauch vor das Vorstag bilden. Sonst könnte es bei Winddrehungen vor dem Vorstag übergehen. Dann müsste man es mühsam zurückziehen, wodurch das Segeltuch unnötig am Vorstag entlanggerieben und belastet wird.
Bei exakt achterlichem Wind bestimmt die Fock die Seite, auf der sie stehen will. Der Vorschoter führt die Schoten entsprechend nach. - Der Steuermann hält seinen Kurs zur Hafeneinfahrt.
Eine Person nimmt wieder die ggf. vorhandenen beiden Backstagen dicht. Das ist besonders wichtig, da beim Verholen im Hafen man sich daran oft festhalten muss.
Der Skipper teilt nun alle für die letzte Phase des Anlegens ein: Wer geht im Hafen an den Bug? Wer übernimmt die Position an den Wanten? Wer geht auf die Position der Backstagen? Und wer steht ggf. am Achterstag?
Sofern man zum Anlegen in einem fremden Hafen eigene Festmacherleinen benötigt, dann werden diese bereitgelegt.
Auch die Fender kann man je nach Yacht bereits einmal auf Deck oder im Cockpit bereitlegen. Dies gilt vor allem für Schiffe, auf denen sie irgendwo tief in der Kajüte verstaut sind. Wer eine große Yacht mit Reeling besitzt kann sie sogar bereits an den dicksten Stellen der Yacht an der Reeling befestigen. Aber sie werden nach dem Anbringen wieder innerhalb der Reeling auf Deck abgelegt. Denn man fährt auch zum Anlegen nicht wie ein Metzger seine Würste draußen hängend spazieren. Vor allem passen viele breite Yachten mit den Fendern an der Außenseite nicht in die Box. Sie bleiben damit an den äußeren Dalben hängen.
Wo und wann man das Vorsegel einrollt respektive birgt, hängt von vielen Faktoren ab:
Sicherheitshalber sollte man bereits spätestens an der Mole das Vorsegel komplett eingerollt, respektive geborgen haben.
Manche Segler lassen das Vorsegel auch angeschlagen vor das Vorstag komplett auswehen. Das funktioniert bei kleinen Focks (vor allem auf kleinen Segelbooten) durchaus gut. Das Kommando dazu lautete: Vorschoten los
.
Mit einer großen Genua würde ich das nicht wagen. Wenn sich deren Schothorn, Schot oder Tuch irgendwo an einem Dalben, einem Haken, einer Schraube oder einem Nagel etc. im Hafen verhakt, wird es Schäden geben. Deshalb muss eine frei fliegende (auch kleine) Fock spätestens am eigenen Dalben - also vor dem Hineinfahren in die eigene Box - geborgen werden.
Sie benötigen im Hafen bei Rückenwind keinen weiteren Schub durch das Segel, denn Sie wollen ganz im Gegenteil abbremsen.
Sie müssen vor allem im Schlussteil des Anlegens absolut freie Sicht nach vorne haben, damit Sie den letzten Teil des Anlegemanöver ggf. kurzfristig im Detail abändern können. Denn auch im Hafenbecken hinter der Mole können (verdeckt für Sie als vom Wasser Anfahrenden) kleinere Motorboote oder andere Wasserfahrzeuge in dem Moment beim Ablegen sein und den geplanten Weg versperren etc.
Sofern der Kurs exakt stimmt - Achterlicher Wind -, dann kann man jederzeit (auch weit vor dem Hafen) das Vorsegel einrollen oder bergen.
Das Ziel des Anlegens ist, die Schiffsgeschwindigkeit auf null zu reduzieren.
Wer also sehr starken Rückenwind hat und gleichzeitig hohe Wellen von Achtern, der sollte das Vorsegel frühzeitig einrollen respektive bergen.
Bei einer Rollfock / Rollgenua teilt der Steuermann noch eine Person am Rollfockbändsel ein, welche diesen zieht (das Vorsegel damit einrollt), während der Vorschoter langsam die Schot nachgibt, damit das Vorsegel ganz dicht aufgerollt wird. Es sieht nicht nur miserabel aus, sondern kann richtige Probleme verursachen, wenn das Vorsegel zu bauchig aufgerollt wird und dann sich durch den Wind öffnet - im Schlimmsten Fall als Sanduhr. Dann kommt sofort wieder Fahrt in das Schiff und das Vorsegel kann bei mehr Wind sogar Schaden nehmen.
Auf manchen Schiffen kann es hilfreich sein, wenn - nach dem Einrollen - eine Person auf dem Vordeck die Rollfock am Schothorn nach unten zieht. Dadurch rollt sie sich vor allem oben enger zusammen.
Wer ganz sicher gehen will, kann danach noch einen Bändsel auf Kopfhöhe um die Fock binden, damit sie definitiv nicht von selbst aufgeht. - Persönlich bin ich bei letzterem wieder etwas gespalten. Das mache ich erst in der Box. Denn vorher kann etwas beim Anlegen noch schief
gehen, wodurch ich die Fock evtl. wieder benötige. Deshalb möchte ich bei starken Böen / drehenden Winden beim Anlegen lieber keinen Bändsel in die Rollfock gebunden haben. Dafür muss ich die Fock dann im Auge behalten.
Beim Bergen der Fock sollte das Segel (für Notfälle) auf dem Vordeck verbleiben, aber auf jeden Fall - je nach Größe - mit mehreren Bändseln zusammengebunden und an der Reeling gesichert werden. Das geborgene Vorsegel darf weder durch Böen steigen
noch ins Wasser rutschen.
Wer hingegen nur schwachen Rückenwind und kaum bis keine Wellen von Achtern hat, die einen vorantreiben, der kann das Vorsegel bis kurz vor der Hafeneinfahrt stehen lassen.
Aus Sicherheitsgründen sollte jedoch jedes Vorsegel spätesten an der Mole eingerollt oder geborgen sein.
Es geht einerseits um die bereits angesprochen freie Sicht nach vorne und andererseits um den ungehinderten Platz auf dem Vordeck für die Mannschaft. Eine im starken Wind wild um sich schlagende Fock kann die letzte Etappe des Verholens für Personen auf dem Vordeck sogar gefährlich machen.
Erfahrungsgemäß haben die meisten Segler viel zu viel Angst, dass sie nicht in den sicheren Hafen kommen. Fakt ist jedoch in fast allen Fällen, dass die eigene Schiffsgeschwindigkeit bei Rückenwind draußen auf dem Wasser maßlos unterschätzt wird. Fast alle Segelboote sind viel schneller, als die auf dem Schiff befindlichen Personen das auf dem Wasser erkennen. Beim Passieren der Mole trifft dann viele der Schlag
, wenn sie an der stehenden Referenz (Spundwand und Dalben) - oft zu spät - ihre eigene hohe Geschwindigkeit erkennen.
Fakt ist leider, dass immer weniger Menschen - auch Segler - Geschwindigkeiten des eigenen Fahrzeuges durch das Wasser (draußen auf dem See oder Meer) vor allem bei Rückenwind korrekt schätzen können. Überdies ist den meisten die Massewirkung nicht bewusst. Selbst von den meisten Menschen als 'unerträglich langsam' eingestufte 1-2 km/h ergeben bei mehreren Tonnen Schiffsmasse (Masseträgheit) eine kaum mehr von Menschenhänden aufzuhaltende Impulskraft. Einer der Gründe für die Fehleinschätzung ist vermutlich, dass man nur die Fahrt der eigenen Yacht durch das (Oberflächen-) Wasser sieht, aber die Fahrt des Wassers (Wellenbewegung in die eigenen Richtung) über Grund nicht erkennt. Ganz im Gegenteil konnte ich feststellen, dass manche Schüler sogar glaubten, dass sie rückwärts führen, weil die Wellen sie überholten - unter dem Schiff durchliefen.
Bei Rückenwind ist das Abbremsen schwer, und Ihr Ziel zum Anlegen - der absolute Stillstand der Yacht an der eigenen Box - kann so gefährdet werden. Also haben Sie im Zweifel etwas mehr Geduld vor dem Hafen. Eine 10 Sekunden längere Anfahrt ist stressfreier, als im Hafen kurz vor dem zerstörerischen Aufprall an der Kaimauer irgendwelche Notmanöver zum Abbremsen durchführen zu müssen.
Nun gut. Der Notfall ist dennoch eingetreten:
Sie haben entweder die Genua bis in den Hafen gesetzt gehabt und erkennen beim Bergen im Hafen, dass Sie viel zu schnell sind.
Oder Sie haben alles richtig gemacht und das Vorsegel früh vor der Mole eingerollt, aber bei z.B. 6-8 Beaufort Rückenwind und 1 Meter hohen Wellen von hinten auch ohne Segel eine unglaubliche Fahrt im Schiff.
Es ist nun völlig unsinnig, hektisch herumzuschreien und irgendwelche Mannschaftsmitglieder anzubrüllen: Halt ab
. Die Gesamtmasse des Segelbootes mit Mannschaft von meist über einer Tonne hält niemand bei derartiger Geschwindigkeit mit der Hand auf. Das führt nur zu Verletzungen und Schäden.
Nun muss man sich die Physik zu Hilfe nehmen - und zwar exakt jene Manöver, die man sonst nie durchführen sollte.
Erinnern Sie sich noch? Irgendwann in der Segelschule hat man Ihnen gesagt, dass man das Ruder nicht zu stark legen soll, weil es dann zu sehr bremst. Bei der Pinne gibt man oft an, dass man sie nicht über das Süllbord hinaus (Cockpit-Begrenzung) in eine Richtung legen soll.
Exakt das machen wir nun - und übertreiben es sogar bis in das Extrem. Sie legen sofort und ruckartig das Ruder (mindestens 45 Grad) in eine Richtung bis zum Anschlag oder stellen das Ruderblatt sogar bis zu 80 Grad fast quer.
Das schnelle Schiff wird dann ruckartig zu der Seite hin ausbrechen. Das unterstützen Sie sogar noch weiter, bis das Schiff quer zum Wind (und meist auch den Wellen) liegt.
Dann nehmen Sie sofort das Ruder zurück und steuern extrem in exakt die Gegenrichtung, bis das Schiff 180 Grad gedreht in die andere Richtung quer zum Wind steht.
Es ist gleichgültig, in welche Richtung Sie das Boot zuerst drehen. Man wählt jedoch meist automatisch die Richtung / Seite mit etwas mehr Platz. Aber Sie benötigen dazu kaum Platz, sofern Sie stark Ruder legen.
Meist reicht ein derartiges zweimaliges hartes Drehmanöver aus, um das Schiff komplett auszubremsen.
Falls nicht, dann können Sie bei ausreichend Platz diese beiden Manöver mehrfach hintereinander wiederholen.
Nochmals: Nicht zaghaft, sondern das Steuer bis zum Anschlag legen. - Das ist wie beim ABS im Auto. - Um ein schnelles Schiff wirklich abzubremsen, müssen Sie voll in die Eisen steigen
.
Dieses Manöver klappt immer - auch auf engstem Raum. Falls Sie es nicht glauben, dann testen Sie es weit draußen vor dem Hafen einmal.
Dieses Manöver kann man auch weiter entfernt vor dem Hafen anwenden, wenn plötzlich ein auslaufendes Schiff einem die Einfahrt versperrt. (Auslaufende haben Wegerecht.)
Keine Sorge: Durch den Rückenwind nehmen Sie - auch nach dem Abbremsen - meist schnell wieder Fahrt auf.
Falls Sie einen kleinen Hafen haben, bei dem die Tiefe bis zu Kaimauer zu kurz für mehrmaliges Querstellen ist, aber Ihre Fahrt extrem hoch ist, dann hilft im Hafenbecken selbst nur ein Aufschießer. D.h. Sie drehen Ihr Boot mit extremen Ruderschlag 180 Grad in den Wind, lassen es weitgehend auslaufen und steuern dann mit der Restfahrt einen Dalben links oder rechts in der Einfahrt an. Das funktioniert definitiv, weil es das Strafmanöver bei modernen Regatten ist. Ein Vollkreis bremst jedes Schiff aus. Aber bei Ihrem Notfall reicht eine 180-Grad-Drehung in den Wind auch aus.
Merkregel: Die meisten Segler sind beim Anlegen mit auflandigem Wind zu schnell.
Notbremsung durch Querstellen des Segelbootes zum Wind und den Wellen. Hier das große Bild.
Spätestens an der Mole nimmt jeder seine vorher eingeteilte Position am Bug, den Wanten, am Backstag und am Achterstag ein.
Hinter der Mole angekommen, wird es meist ruhiger: Wind und Wellen lassen nach.
D.h. man kann das Segelboot im Idealfall einfach bis zur eigenen Box / dem eigenen Liegeplatz ausrollen
lassen.
Dennoch sollte man nichts erzwingen:
Es kann sein, dass man zu schnell ist für seine Box. Dann bremst man das Schiff entlang mehrerer Dalben langsam ab. Es ist in einem solchen Fall oft sinnvoller, das Boot erst einmal irgendwo im Hafen zum Stillstand zu bringen und danach zur eigenen Box zurück-zu-verholen.
Manchmal stellt der Wind hinter der Mole auch völlig ab und die Wellen gehen drastisch zurück. Dann muss man sich bis zu seiner Box manuell vor-verholen.
Liegt man (per Zufall) mit dem Bug zum Steg, dann kann der Steuermann in einer weichen Kurve die Yacht gefühlvoll bereits ohne Leinen in die eigenen Box hineinsteuern. Gekonnt mit langsamer Fahrt und vor allem schweigend (weil alles vorab besprochen wurde) durchgeführt, sieht dies beeindruckend elegant aus. - Dazu teilt der Skipper jedoch schon vorher eine Person für die Bugleinen ein, die dazu bereits am Bug steht, und zwei weitere Personen, die an den Wanten auf beiden Seiten (der gewöhnlich dicksten Stelle des Schiffes) stehen, um dort beim Vorbeifahren an den äußeren Dalben die dortigen Festmacherleinen zu ergreifen und die Restfahrt des Bootes ggf. abzubremsen.
Liegt man mit dem Heck zum Steg, dann muss man eher eng an den beiden Boxen-Dalben anhalten und das Segelboot noch umdrehen. (Siehe Verholen im Hafen.)
Zum Anlegen ist Wind aus der Richtung 1. auflandig.
Da der Wind - vom Hafen aus gesehen - von links kommt, müssen wir unseren Aufschießer auch auf dieser Seite fahren.
Die einzige Möglichkeit der korrekten Anfahrt mit Halbem Wind zum Ort des Aufschießer besteht somit aus Richtung rechts oben.
Wer in die sehr enge Einfahrt C will, muss wirklich sehr früh das Vorsegel einrollen oder bergen. Je schmaler die Einfahrten sind und je weniger Platz im Hafen besteht, desto weniger können Sie dort noch korrigieren - desto langsamer müssen Sie mit Rückenwind einfahren.
Auflandiger Wind von links. Hier das große Bild.
Zum Anlegen ist Wind aus der Richtung 2. auflandig.
Da der Wind - vom Hafen aus gesehen - direkt senkrecht von oben kommt, müssen wir unseren Aufschießer auch direkt in der Verlängerung der Einfahrt fahren.
Die einzige Möglichkeit der korrekten Anfahrt mit Halbem Wind zum Ort des Aufschießer besteht somit von links. Denn rechts liegt der Sperrbereich mir der Flachwasser- und Badezone.
Auflandiger Wind direkt von oben. Hier das große Bild.
Zum Anlegen ist Wind aus der Richtung 3. auflandig.
Da der Wind - vom Hafen aus gesehen - von rechts kommt, müssen wir unseren Aufschießer auch so weit wie möglich rechts machen. Aber dort ist die gesperrte Flachwasserzone. Also wird es niemals ideal mit Achterlichem Wind zum Hafen gehen. Aber es klappt immer mit Raumem Wind. - Und das reicht mit der Fock gut aus, da man mit einem Vorsegel steuern kann.
Die einzige Möglichkeit der korrekten Anfahrt mit Halbem Wind zum Ort des Aufschießer besteht somit aus der Richtung von links oben. Denn rechts liegt der Sperrbereich mit der Flachwasser- und Badezone.
Bewusst habe ich zur Darstellung hier die rechts liegende Einfahrt A gewählt, da sie für diese Windrichtung ungünstig liegt. Bei C oder weiter nach links gelegenen Hafeneinfahrten ist der Windwinkel günstiger. Dort kann man fast mit Achterlichem Wind auf die Einfahrt zusegeln.
Auflandiger Wind von rechts. Hier das große Bild.
Wie immer kann man bestimmte Windrichtungen im Grenzbereich frei definieren, so wie man das Manöver am sichersten fahren kann.
Schauen wir uns hierzu besonders die wirklich schmale Einfahrt C und die ganz verwinkelte Hafenbeckensituation ganz rechts O an.
Faktisch ist es somit nicht möglich, mit Vollzeug in die Einfahrten zu fahren und dort einen Aufschießer zu fahren. Deshalb muss man eben umgekehrt vorgehen und den Aufschießer vor dem Hafen machen.
Aber man benötigt die Fock bis zum Schluss - bis zur Einfahrt oder sogar bis in die Einfahrt. Bei O muss man das Vorsegel sogar noch um die Kurve herum fahren. D.h. um die Kurve herum muss man mit der Fock eventuell sogar noch die Seite wechseln.
Exakt letzterer Grund ist entscheidend dafür, dass man es bei breiten / geräumigen Einfahrten oder mehr Platz im Hafenbecken selbst nicht anwendet. Man kommt mit der Fock kaum um (enge) Kurven herum und kann nach der Drehung definitiv nicht mehr gegen den Wind fahren. D.h. man kommt damit nicht um weit vorstehende Molen wie in Einfahrt B oder um die völlig verbogene Mole bei der Einfahrt A herum. Das wäre bei fast allen Windstärken zu unsicher. Hinzu kommt, dass Wind parallel zum Ufer oft böig ist und dreht. In solch einem Fall ist man bei schwierigen Wind-Situationen (in breiten Einfahrten wie B und A) mit dem Großsegel besser bedient, weil man damit flexibler manövrieren kann.
Auflandiger Wind von links - paralleler Wind zur Uferlinie. Hier das große Bild.
Das war das Anlegen bei auflandigen Winden.
Weiter geht es mit: Anlegen bei ablandigem Wind.
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Segeln 21 - Dr. Schuhmacher